Dienstag, 7. März 2006

Von Embryonen, Engelmacherinnen und Esoterik

Die Geschichte darüber, wie moderne Abtreibungskliniken funktionieren und warum es exkommunizierte Engelmacherinnen leichter haben. Eine Minireportage.

Mit einem mechanischen Bzzz öffnet sich die Glastür und man betritt die Rezeption, deren lichte, elegante geschwungene Möbel ihr eine luftige Leichtigkeit verleihen. Nur einige Broschüren auf dem Empfangstresen, Milchglasscheiben im Hintergrund und der obligatorische Gummibaum im Eck deuten darauf hin, dass man sich in einer medizinischen Einrichtung befindet. Ein Massagesalon, würde man sonst sagen. Oder eine Shin Tao Beratungsstelle.
Weit gefehlt. Es ist die Abtreibungsklinik Gynmed.
Glücklicherweise sind die Zeiten lange vorbei, wo in einem dunklen Hinterhof am Diamantengrund die alte Engelmacherin mit nicht ganz antiseptischem Werkzeug illegale Abtreibungen durchführte und gelegentlich statt einem Engel zwei machte, wie es im Lied „Die alte Engelmacherin“ von Helmut Qualtinger und Gerhard Bronner heißt.
Wobei – so lange ist das auch noch nicht her. Seit 1. Jänner 1975 gilt in Österreich der Paragraph 97 des Strafgesetzbuches, besser bekannt als die Fristenlösung, die den Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate und – bei Bedrohung der körperlichen und psychischen Gesundheit der Mutter oder des Kindes – auch darüber hinaus legalisiert.
Mittlerweile gibt es in Österreich 27 Kliniken, die Abtreibungen durchführen, neun davon in Wien. Das Burgenland ist das einzige Bundesland ohne solche Institution. Jährlich nutzen Schätzungen zufolge 30.000 bis 40.000 zumeist junge Frauen die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs.
„Die meisten Frauen, die hierher kommen, haben sich bereits für die Abtreibung entschieden“, erzählt Dr. Christian Fiala, der Leiter der Gynmed Klinik. In den Beratungsgesprächen werden noch die unterschiedlichen Methoden und deren medizinische Wirkungsweise und mögliche unerwünschte Nebenwirkungen besprochen. Etwa die medikamentöse Variante mit der Abtreibungspille Mifegyne, die seit 1999 in Österreich zugelassen ist. Oder die chirurgischen Methoden durch Absaugung, bzw. Kürettage, also die Ausschabung der Gebärmutter.
Ein Schritt, von dem die einen abraten, die anderen abhalten wollen. Zu letzteren gehört die Gruppe „Human Life International“, die im besten Fall mit religiösen Argumenten, Bibelzitaten und aus medizinischer Sicht – euphemistisch gesagt – fragwürdigen „Beweisen“, im schlechtesten Fall mit Handgreiflichkeiten Personen am Betreten von Abtreibungskliniken wie der Gynmed hinderten. Die Betonung liegt auf „hinderten“. Denn ein von der SPÖ und ÖVP beschlossenes Wegweisungsrecht verbietet den selbsternannten Lebensrettern diese Form des Psychoterrors, wie es Dr. Christian Fiala nennt.
Dementsprechend ruhig präsentiert sich der Mariahilfer Gürtel, an dem die Gynmed Klinik liegt. Keine Demonstranten, keine Bibelprediger, keine Plastikembryonenwerfer. Die Abtreibungsgegner sind auf andere Methoden umgestiegen. „Ich erhalte regelmäßig Drohbriefe und –Emails“, bestätigt Dr. Fiala. Abtreibung sei eine Todsünde, jeder, der zu einem Schwangerschaftsabbruch beitrage – das können Ärzte, Krankenschwestern, aber auch der Partner und sogar der Taxler sein, der die Frau zur Klinik bringt – müsse laut Kanonischem Recht Nummer 1398 exkommuniziert werden.
Sollte Christian Fiala wirklich die Exkommunikation drohen, hat er zumindest eine Sorge weniger: Ihn kann dann nicht das Schicksal der alten Engelmacherin vom Diamantengrund ereilen, die nach ihrem Tod im Himmel von den anderen Engeln erschlagen wird.


Weiterführende Links:
www.gynmed.at
www.abtreibung.at
www.hli.at

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