Kunst und Kultur

Montag, 20. August 2007

UFFIE VS M.I.A.: Sytle & Substanz im Pop

Eine interessante Geschichte zum Thema findet sich unter folgendem Link (Uffie, die sich vor noch gar nicht langer Zeit als radikalere, weil plakativere Peaches-Kopie ins Rampenlicht drängte, hat einen kleinen Dämpfer bekommen...)

KOMMENTAR DAZU:
Es kommt definitiv nicht auf den Style an, und es braucht auch keinen DJ. Ist zwar ein bescheuertes Beispiel, aber ich hab letztes Jahr erlebt, wie Liz Mitchell mehr oder weniger allein die Wiener Stadthalle gerockt hat.
Es gab da zwar zwei Sängerinnen, die sie allerdings mehr wie Deko flankierten, der Rest war Instrumentalplayback: Die Hits von Boney M, die Liz Mitchell mittlerweile im Alleingang verkörpert - quasi das Gegenteil von Milli Vanilli, alle anderen waren immer Statisten, wofür brauchen wir sie also?
Freilich war das jetzt nicht besonders forward oder stylish, das war Disco-Klassik mit Eurodance-Wumms, aber es hat die Halle gerockt.

Montag, 9. Juli 2007

Alles Folklore!

Wenn sich Madonna einer Sache annimmt, dann wird diese in der Regel gerade / dadurch in den Popmainstream eingegliedert. Zuletzt hat sich die Meisterin mit Gypsy Punkrock in Person von Gogol Bordello. Wohlmeinende Megaevents sind nach wie vor relevanter, als man glaubt.

Eigentlich hatte ich mir von »Live Earth« keine großen Popwürfe erwartet. Die Zeiten, wo bei solchen Anlässen die Stadionrocktitanen aufeinander kleschten und vielleicht sogar geschichtsträchtige Duette auf die Bühne brachten, sind vorbei. Es gibt kaum mehr Popstars mit übergreifender Bedeutung. Wer wird sich zB in zehn Jahren an die sexy Sängerin der Pussy Cat Dolls erinnern? Mit wem sollen die Showgirls ein Duett singen? Wer weiß, wie die einzelnen Mädels heißen? Bitte mich nicht falsch zu verstehen: Natürlich gehörten solche Truppen immer zum Fundus der Popfolklore. Vor gut 15 Jahren waren die Damen von En Vogue die damals aktuellen Pussy Cat Dolls. Kann sich noch jemand an sie erinnern? Sie hatten gar nicht so wenige Hits. Um 1990 war dafür Live Aid, das große Benefiz Konzert der 1980er, immer noch irgendwie präsent, obwohl schon ein halbes Jahrzehnt her. Es gab nämlich von vielen großen Acts Bilder ihrer »Live Aid« Auftritte, die gern verwendet, und Duette, die gern im Radio gespielt wurden.

Live Aid, die von Bob Geldof erschaffene Mutter aller gut gemeinten Großkonzerte, brachte Queen, David Bowie, Elton John, Mick Jagger, Bob Dylan, Santana, Madonna, Paul McCartney, Tina Turner und noch viele mehr auf die Bühne – all diese Namen sind heute noch geläufig, und sie waren es schon 1985 seit geraumer Zeit. Betrachtet man die Line Ups der diversen Spielorte von Live Earth 2007, wird man zwar bekannte Namen finden, allerdings nicht so kompakt wie bei Live Aid. 1985 wurde nur an zwei Orten gespielt, was eine Konzentration auf international und historisch möglichst relevante Acts begünstigte. Trotzdem, selbst in der Reduktion wäre etwas Derartiges heute nicht mehr möglich, behaupte ich. Die Musikindustrie schlägt lieber kurzfristige Profite aus regionalen Stars, die nach erprobten Mustern vermarktet werden, anstatt nach Talent mit Nachhaltigkeit zu suchen. Entsprechend diversifiziert ist der Markt. Man kann das freilich auch demokratisch finden, und zweifelsohne wird hier irgendein Lokalkolorit gefördert, und seien es die besonders fragwürdigen Vorlieben mancher Länder.

Madonna jedenfalls, als Superstar seit den Achtzigern ununterbrochen gut im Geschäft, schien sich an den symbolischen Mehrwert von Großevents á la Live Earth zu erinnern. So kündigte sie nach der obligatorischen Danksagung an Initiator Al Gore und dem Hinweis auf den eigentlichen Sinn der Veranstaltung ihre »romani-gypsy friends from Gogol Bordello, Eugene and Serge« an, um dann mit deren Unterstützung eine mit Polka versetzte Version von »La Isla Bonita« zum besten zu geben. Da die Gypsy-Elemente sich in so gut wie jeder südlichen und östlichen Musik finden (westlich gedacht), ist die Adaption des Latinpop-Stücks musikalisch kein Problem. Die gerade Kickdrum, die Schrammelgitarre und das wilde Violin-Gefidel integrieren sich bestens, beinahe zu gut, geben der an sich romantischen Nummer Extra-Drive. Formal irritiert wird davon aber niemand. Spannend an der ganzen Sache ist die Ikonografie: Madonna und ihr hochprofessionelles Tanzpersonal lassen sich zu einem kuriosen Veitstanz herab, den Eugene Hütz und Sergey Ryabtzev auf die Bühne bringen.

Während die blonde Popkaiserin trotz schwarzem Flamenco-Kleid mit ihrem eleganten Herrenhut recht urban und stylish wirkt, scheinen sich Hütz und sein Kollege besondere Mühe um einen möglichst räudigen Eindruck gegeben zu haben. Die grellen Folklore-Zitate sind in der Kiste geblieben, aber schwarze Hosen, Cowboystiefel (Hose in den Stiefeln), kuriose Mützen und flatternde Halstücher definieren sie eindeutig als »Countryboys« - die rauen Vokalbeiträge sind zwischen Geträller und Gegröle angesiedelt. Dennoch hat Madonna keine Berührungsängste, hängt sich ein und hopst den seltsamen Tanz der Gäste mit. Indem man gemeinsam einen russischen Refrain singt, wird die Verbrüderung musikalisch signalisiert. Bei »I fell in love with San Pedro« flirtet Madonna aber dann wieder in gewohnter Manier mit einem ihrer Tänzer, ein zweiter gesellt sich dazu, das gewohnte »Vogueing«, also Einfrieren in Posen zum Tableau, wird zelebriert. Zurück zur Tagesordnung? Mitnichten.
Kaum ist die Strophe vorbei, setzt wieder die Geige ein, Eugene singt sein „Stiggidiggidei«, und Madonna tanzt synchronjoggend mit ihren Begleitern zu den wilden Kerlen hinüber. Die gesamte Tanzcrew gesellt sich nun zu dem wilden Reigen, und die Chefin höchstselbst hält Eugene ihr Mikrofon hin, damit er reingrölen kann. Danach führt sie alle zusammen in einer wild tanzenden Parade diesen Laufsteg entlang, den auch schon fast jedes große Konzert hat, und der mit einer kleinen Plattform mitten im Publikum endet. Zuerst wird paarweise im Kreis um Madonna und die bösen Jungs getanzt, ein Latino-Dorffest simuliert. Danach mischt sich Madonna unter ihr Personal, und alle zusammen tanzen um die Gogols eine Art Ringelreigen. Der scheint etwas schlecht geprobt und holprig, die Tanzprofis rempeln sich herum – vielleicht auch, weil bei so primitiven Choreografien das professionelle Feingefühl aussetzt. Schließlich noch mal der gemeinsame Chorus, Madonna und Hofstaat tanzen zurück zur Hauptbühne, Eugene und Sergey bleiben stehen wie auf dem Silbertablett, Bass & Drum pumpen massiv zur Geige und dem »Lei-la-lei-la« aus rauen Kehlen.

Zurück zum Pop

Bis sich dann der übermächtige Discobass von »Hung Up« einschleicht und uns in die »normale« Popwelt hinüber gleiten lässt, während sich die Gypsy Punks zurückziehen. Vom der erdigen Hausmannskost zurück (eigentlich ein Widersinn!) zum gewohnten Hybrid-Sound, von Adaption der Volkskultur zur Selbstreferenz des Pop via Abba-Zitat. Die nun folgenden Choreographien sind Standards, wie wir sie von Madonna seit jeher gewohnt sind und wie es die Calvin Klein Werbung so schön weiterführt. Soll nun diskutieren, ob solche Konzerte für den jeweiligen Zweck was bringen, wer will – ihre Bedeutung als Panorama-Display der Popwelt ist nach wie vor gegeben.

Aber was ist nun die Moral von der Geschicht’? Gogol Bordello sind seit bald zehn Jahren im Geschäft und der Topact eines Musikstils, der seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Ende des Ost-West-Dualismus absehbar war. Während Gogol Bordello von Madonna den Ritterschlag zum großen Geschäft erhalten, pflegen sie ebenso den Kontakt zu den lokalen Größen der Diaspora, die in Berlin, Wien und sonst wo ihre Ost Klubs und Russendiskos betreibt. (Madonna unterstreicht damit nebenbei wieder einmal ihre Rolle als Trendmacherin.) Die östlichen Klangfarben sind nicht nur leicht in die Pop- und Rockmusik integrierbar, sie sind oft die bloße Betonung von Komponenten, die ohnehin immer schon Teil des Spiels waren. Ob nun Irish Folk oder Latin-Leidenschaft, stets geht es um das Urige, das wahre, pralle Leben, den Geschmack der Heimaterde – bzw die Ideen von all dem. Nicht nur etymologisch steckt in aller Popkultur die Volkskultur, und noch im smartesten Garage-Bass hallt die Tuba der Dorfblasmusik nach. Popfolklore, Rockfolklore, Ethnoklischees – alles nur Stilmittel aus dem weiten Fundus des Showbusiness. Es kommt selten vor, aber bei Events wie Live Earth wird das alles rausgeräumt und verwendet. Ein Spielverderber, wer Böses dabei denkt.

PS: In der Liste war Nelly (wer den noch kennt...) nicht zu finden – weiß irgend jemand, ob »It’s Gettin’ Hot In Here« vielleicht trotzdem bei Live Earth gespielt wurde?

Sonntag, 4. Februar 2007

300

In einer Zeit, als Hopliten die Peleponnes durchstreiften und Sphingen und Phalangen aufeinanderdonnerten, dass selbst dem Zeus die Ohren schlackerten, da begab es sich, dass eine Armee von 300 Soldaten gegen eine Armee von 120.000 standen. Nicht irgendwelche Krieger, sondern 300 Spartaner, die harten Hunde der Antike, gegen das Tausendvölkerheer der Perser.

Die Schlacht bei den Thermopylen, 480 vor Christus, während der Zweiten Perserkriege - Gänsehaut im Geschichteunterricht, und immer gewundert, wie das denn gehen soll - eine Handvoll Aufmüpfige gegen die Macht von Xerxes.

Einer, der sich das auch gefragt haben dürfte, ist der Comic-Autor Frank Miller (vielen bekannt als das brutal-geniale Mastermind hinter Sin City). Sein Graphic Novel "300" zeigt die spartanischen Krieger auf ihrem Weg in die Hölle. Feiner Lesestoff!

Was noch viel erfreulicher ist - vor allem für Leute, denen selbst Comic Lesen zu anstrengend ist - im März kommt die Verfilmung. Inklusive Zersplatteln und Derwutzeln. Yeah.

Ich sehe, es werden zwei lange Monate bis zur Premiere...

Montag, 25. Dezember 2006

Besinnliche Sendung 25. 12. 2006

Es ist dann doch Songwriting als besinnliches Thema geworden ...

SINGER, SONGS, SONGWRITING
Poet, Musikant, Autor, Komponist, und noch viele weitere Klischees in Personalunion: „Singer-Songwriter“ ist ein stehender und zentraler Begriff in der Popmusik. Leidensmann, Außenseiter oder gar Narrenfigur, gescheit und gescheitert, könnte man auch sagen. Singer-Songwriter sind eine Pop Entsprechung zum Genie der Hochkultur.
Was allerdings noch lange nicht die Bedeutung, das Gewicht, die Wirkung von Songs erklären kann. Paul Lohberger und Jessica Lopez haben Klaus Totzler besucht, als Kopf der Vienna Songwriting Association schien er der Richtige zu sein, um das Phänomen „Song“ nicht zu erklären, aber zu erörtern.

Zur Sendung

Dienstag, 5. Dezember 2006

SEIJI on air

Morgen kommen bekanntlich Bugz In The Attic live nach Wien.
Zur Einstimmung gibts das radio u-ton Seiji Feature hier.

Montag, 10. Juli 2006

Sendung 10.07.2006 Open-Air Kino

Leider schon ein wenig spät, aber hier der Nachruf auf die heutige Sendung. Ein herzliches DANKE an meine zwei Kolleginnen!

Heute haben wir, wie angekündigt, die Angebote zum Kino in freier Wildbahn durchstöbert und besprochen. Ein kleines Stimmungsbild, entstanden am Samstag im Augarten, beim Open-Air-Kino "Kino unter Sternen", hat uns einen lebhaften Eindruck vermittelt, was es heißt endlich einmal in einem Kino ohne Air-Condition zu sitzen.

Zusätzlich hat unsere Kollegin Kathi Lochmann höchst brisante Details zu diversen Sommerkinos geliefert, und einen hübschen, auch finanziell wohl durchdachten Rundblick geliefert. Eigene Erfahrungen, wie auch brisante Details über ausleihen von Decken, bis hin zum WM-Sieger, waren Inhalt der Gespräche.

Wer sich eigenständig informieren will, und unsere schöne Sendung versäumt hat, kann dies unter www.sommerkino.at nachholen.
Ich und meine Kollegin wünschen Euch einen kuscheligen Sommer in Wien, der auf Grund zahlreicher Kino-Angebote mit Sicherheit ein sehr romatischer werden kann!


Zur Sendung...

Freitag, 19. Mai 2006

Von der Fremde und Verhirnung

Die Geschichte von Alfred Dorfers neuem Kabarett „fremd“ und warum zu viel graue Zellen schnell mal grau wirken. Eine Kritik.

Aufgeregtes Gemurmel im Audimax der Universität Wien, volle Sitzreihen, Temperatur und Luftfeuchtigkeit wie vor dem mittäglichen Gewitter in den tropischen Wäldern von Guinea. Endlich betritt der Mann die Bühne, auf den die schwitzende Menge wartet – kein Professor, kein Gastvortragender, kein Universitätsassistent. Sondern der Kabarettist Alfred Dorfer, inklusive dreiköpfiger Musikkombo und neuem Programm „fremd“.
Zum Einstieg ein paar zynische Bemerkungen über den Veranstaltungsort, die „gelungene Renovation“, die den Hörsaal in einem desaströsen Zustand hinterlassen hat, mit unverputzten Wänden, der Akustik einer Turnhalle und ohne funktionierender Lüftung. So was bringt Solidarität im Publikum, Lachen und Klatschen und somit ein wenig Luftzirkulation. Danke.
Das Audimax ist Dorfer auch aus der Perspektive der Zuseher vertraut: In den Achtzigerjahren begann er ein Studium der Theaterwissenschaft, brach ab, um die universitäre Karriere im Jahr 2005 wieder aufzunehmen und seine Diplomarbeit über das Kabarett in totalitären Regimes zu verfassen.
Ein wissenschaftlicher Kontext also, was Bühne und Lebenssituation betrifft. Wenn dann noch Gunkl alias Günther Paal, der für seine abstrakt-verworrenen Gedankengänge bekannt ist, beim Programm mitmischt, dann darf man sich zu Recht auf eine gewaltige Verhirnung gefasst machen:
Laut der Homepage von Alfred Dorfer geht es bei „fremd“ um die Fremdbestimmtheit durch Bilder, die mensch im Laufe seines Lebens internalisiert und als eigene anerkennt, ebenso um alternative Identitäten und die Suche nach dem Ich. Als ein Drittel der Musikkombo speit Günther Paal vom linken Bühnenrand gelegentliche Bonmots und um Effekt heischend philosophische Häppchen in den Raum. Smart? Sophisticated? Unweigerlich taucht ein Zitat aus dem Dorfer-Film „Freispiel“ auf – „intellektuelle Wichser in Schwarz“. Dabei bleibt das gesamte Programm unentschlossen in der Schwebe zwischen Philosophieren über die (Bedingungen der) Wahrnehmung und dem Schenkelklopfer, vor dem Dorfer eine (berechtige) Abscheu zeigt.
In Summe? Amüsanter als 99 Prozent und wissenschaftlicher als 10 Prozent der Auftritte, die sonst im Audimax der Uni Wien geboten werden.


Die Sendung zum Thema...

Dienstag, 25. April 2006

Werdet endlich erwachsen! - Ja, wie denn?

Ein kleiner Nachtrag zur Sendung vom 10.4., ein kleiner Denkanstoss...(Grup=Grown Up)

Das New York Magazine definierte den typischen Grup gerade als 35-Jährige, die nicht ohne ihren iPod aus dem Haus gehen, die sich in Jugendmodeketten wie Urban Outfitters oder H& M einkleiden, die ihre Kinder zur Happy Hour in Hipsterbars schleifen, bis vier Uhr morgens in Clubs ausharren, 250 Dollar für künstlich gealterte Jeans ausgeben, ihren Kleinkindern Folkpopmusik vorspielen und Rockstar-T-Shirts anziehen, immer noch das Turnschuhmodell tragen, das sie schon als Schulkinder trugen, ihre Firmenkarrieren aufgeben, um freiberuflich zu arbeiten – und die zu beruflichen Terminen sündhaft teure Fahrradkuriertaschen mitbringen.

Quelle: Andrian Kreye/SZ

Freitag, 21. April 2006

Er war da und ich war dort

Mike Skinner aka The Streets war am 12. 4. in Wien. Spät, aber doch, hier ein paar Eindrücke von Pressekonferenz und Showcase.

Ich habe selten Interviews mit Leuten von derartiger Attraktion, dass ein Teil der Journalisten zu einer Pressekonferenz zusammengefasst wird. Sogar bei Xavier Naidoo und seinen sohnemännlichen Kollegen hatte ich einen Einzeltermin. Nicht so bei Mike Skinner, der für ein Spezialkonzert eines speziellen Radiosenders angekarrt worden war. Da steht man dann im Designerhotel rum und wartet, schnorrt Zigaretten von einem Kollegen, wo man sich fragt, warum nicht zumindest der einen Einzeltermin gekriegt hat, wenn er für eins, zwei, drei Medien schreibt, die Fellner-Stammzelle hingegen schon.....vielleicht hat er sich ja zu spät gemeldet, und der Andrang war zu groß.

Irgendwann ist es so weit: Der Star erscheint und nimmt hinter der Tischbarriere mit den paar Mikros drauf Platz. Irgendwie seltsam unspektakulär. Er sieht nämlich exakt so aus wie auf den diversen Pressebildern, er wirkt genau so, vor allem, er klingt genau so. Nachdem er selber mit seinem Handy die versammelten Fotografen (die ersten 10 Minuten dürfen sie) geblitzt hat, beantwortet er die Fragen in genau dem Tonfall, den man von seinen Platten kennt. No na, werden manche sagen. Aber wer erinnert sich noch an das gepresste Rockfalsett des Axl Rose im Kontrast zu seiner tiefen Sprechstimme, zett Be?
Da Skinners Vortrag als The Streets immer mehr gesprochen als gerappt oder gesungen ist, besteht praktisch kein Unterschied, ob man ihn auf Platte oder vor der Konferenz im Gespräch mit irgendeiner Tourlady am Gang hört. Sein Modestil: Der »Geezer«, der sich nun etabliert hat. Weiße Turnschuhe (Reebok-Deal), 501, himmelblaue Joggingjacke mit »eleganten« weißen Nähten. Die Ringkombination über drei Finger (2+1), die schon der Kollege von de:bug beschrieben hat. Blasses Bubengesicht mit Teddyaugen.

Trotzdem keine Spur von Naivität, wie man meinen könnte: Mike ist souverän, wirkt sehr fokussiert. Er beantwortet die üblichen Fragen zum Album, erwähnt, dass er nun ein Label gegründet hat. Es wäre klar gewesen, dass er nur ehrlich und echt von sich selber berichten hätte können. Die Erkenntnis, dass Authentizität sein größtes Kapital ist, zeigt seine ausgeprägte Fähigkeit, die Realität zu erkennen und die richtigen Konsequenzen zu ziehen, die eben nicht nur beim Texten zum Ausdruck kommt. Stay real for maximum impact.

Skinners Antwort auf meine Frage, ob es denn wahr sei, dass der Rolls-Royce am Cover ihm gehöre, nimmt auch gleich vorweg, was ich nachhaken wollte. Erst führt er aus, dass er im Moment zwar Probleme mit dem Umbau des Autos habe und es ihm im Moment nicht zur Verfügung stehe, aber tatsächlich gehöre. »Die Räder sind die größten auf einem Rolls in Europa.« (22 Inches) Und es musste ein »Roller« sein, weil der typisch britisch ist. Das wollte ich wissen, er hätte sich ja auch einen BMW oder Mercedes leisten können. Nein, es wäre darum gegangen, british zu sein und gleichzeitig die Liebe zur amerikanischen Rapmusik zu zeigen.
Mike Skinner, das ergibt sich aus dem Kontext, sieht seine Mission darin, der UK Garage/Grime Szene eine klare äußere Form zu geben, wie sie in den USA existiert. Er weiß genau bescheid über die diversen subkulturellen Zusammenhänge von Disco, Black Music und ihre Ableger, das heißt, er kennt auch genau deren Codes und Symboliken. Die Amerikaner könnten mit UK Garage nix anfangen, weil das Black Music mit Disco wäre, und Disco ist bekanntlich im Kern schwul – dafür wären die Amis zu homophob.

Nichts an seiner Inszenierung ist Zufall, und ich zweifle stark an seinem gern lancierten unkontrollierten Drogenkonsum. Wie es tatsächlich mit solchen Leuten läuft, zeigt das Beispiel Pete Doherty. Sicher, nach dem Konzert im WUK läuft Mike Skinner mit einer Flasche Cognac rum, aber wenn er ein Problem hätte, könnte er nicht der Checker sein, der er de facto ist. Alles unter Kontrolle, keine Spur (mehr?) vom dodeligen Geezer.

Auch wenn der ja bisher für tolle Sachen gut war. Das neue Album, das nun nicht mehr den Vorstadt-Loser, sonder Skinners Erfahrungen als Popstar behandelt, ist erst mal nicht so konsistent wie der Vorgänger »A Grand Don’t Come For Free«. Es entwickelt seine Qualitäten aber mit jedem Hören, ist mehr R&B, seltsam getwistete Melodien, zum Teil mehrere parallel, mehr Singsang von den Kollegen, mehr Tempo. Die eigenartige Poesie, die sich beim fast hörspielhaften Vorgänger ziemlich sofort erschloss, ist etwas anderem gewichen. Aber bisher war sowieso noch jedes der drei Alben anders. Übrigens, Poesie ist ein völlig anderes Handwerk, das betont der Meister. Weniger Probleme hat Mike Skinner mit Veränderung, er hält sie für extrem notwendig in seinem Bereich (Grime). Wenn die Fans auf der Homepage jedes neue Album erst mal scheiße finden, gehört das für ihn mittlerweile dazu – er weiß sowieso, was gut ist, da wirkt er sehr sicher, schließlich mache er sich selber mehr Druck als die Plattenfirma, und die Studioarbeit wäre ihm am liebsten.

Live ist Skinners Aussagen nach mehr die Pflicht zu dieser Kür. Trotzdem ein Job, den man bestmöglich zu machen hätte – auch ein ultimativer Ego Kick, trotzdem berge das Touren allzu viele Ablenkungen. Der »Showcase« beginnt im restlos vollen WUK mit drei Nummern vom neuen Album, dann der »Klassiker« »Let’s Push Things Forward«. Show-Einlagen vom Sängerkollegen, kalkuliert edelprolliger Auftritt. Sakkos, aufgesteckte Sonnenbrillen. Deftiger Humor. UK Pub Chauvinismus, wie es sich seltsam gehört. (Setlist/detaillierter Bericht)
Das Set (mit kurzer Pause, anscheinend will man das durch die Ankündigung von 30 Minuten verunsicherte Publikum triezen) endet zuerst mit der aktuellen Single, aber das Gejohle reißt nicht ab. Schließlich ertönen aus dem Off die Streicherakkorde vom Opener des ersten Albums, »Turn The Page«, an sich fett und dramatisch, aber hier tollpatschig gesungen. Hoffnung und Gejohle mehren sich.
Als der Sound dann wirklich bombastisch einsetzt, kommt das fette fitte Finale. Drei Nummern, die jetzt schon jede auf ihre Art Popgeschichte der Zeros sind. Ehrlich gesagt, vorher war alles für mich ein wenig vorhersehbar. Aber nun lassens Mike und Band ordentlich krachen. Primitive Identifikation, die ich sonst verachte, ergreift Besitz von mir. Ich bin zufrieden und renne noch eine Stunde im Kreis, treffe ständig irgendwen. Die gesamte Popinsidergemeinde hat sich versammelt und auch manche, von denen mans nicht zwingend erwartet hat. War nicht nur für mich einer der wenigen Liveacts, die ich wirklich sehen wollte.

Conclusio? Mit Mike Skinner und vor allem seinem Label »The Beats« ist weiterhin und noch mehr zu rechnen. Wenn die US-Kollegen vom HipHop-Magazin schon extra anreisen, weil der Presseandrang bei ihnen zu stressig zu werden droht.....
Ich musste am nächsten Tag um halb sieben auf und ins Waldviertel, dann verlängertes Wochenende. Mittlerweile ist der Frühling in Wien, der erste milde Abend – 15 Grad noch um zehn! Die Leute vom staatlichen Stadtradio saßen heute nicht wie sonst ewig in der Kantine, sondern heraußen beim Café. Gesoffen haben sie vermutlich trotzdem, und auch meine Energien und mein Durst sind immens.

Weiteres in dieser Sendung bei radio u-ton und im kommenden Skug Nr. 67

Freitag, 31. März 2006

Urbane Politik & Punk

Ich war heute auf der Pressekonferenz im neuen FLUC am Praterstern.
Dieses Projekt ist mittlerweile (und zu recht, wie ich meine) so prominent, dass neben dem Betreiber Martin Wagner und seinem Architekten auch eine ganze Riege aus der Stadtpolitik Worte zur morgen bevorstehenden Eröffnung abgeben wollte.

Auf der Bühne im noch etwas provisorischen, aber taghellen Clubraum standen Stühle und Mikrofone bereit, TV-Kameras und Fotografen gingen in Position. Es herrschte nicht übermäßig gespanntes Warten, im Prinzip wusste jeder, was da kommen sollte. Die FLUC Betreiber sind sehr gut darin, ihre Sache so zu inszenieren, dass sie grenzgängerisch funktioniert, aber auch behördlich akzeptiert wird. Dazu tragen wohl Erfahrung, Geschick und Talent bei. Wie weit es dabei Glück ist, zu erkennen, was die zeitgemäße Form der Hausbesetzung sein kann, lässt sich schwer sagen. Vielleicht war es einfach an der Zeit, als sie ihr erstes FLUC als Provisorium in einem leer stehenden Lokal am Praterstern beantragten, ein glücklicher Zufall des richtigen Timings.

Plötzlich war klar, es geht los, aber kein Grund zur Hektik. Die Akteure nahmen ihre Plätze ein, Martin Wagner sprach einführende Worte. Irgendjemand aus dem FLUC Team hatte einen hellbeigen Kurzhaarretriever mitgebracht. Dem Hund schien die Sache zu gefallen, er setzte sich ganz zentral in Szene. Mit sicherem Instinkt nahm er neben dem ersten Protagonisten, den Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, Platz und posierte vor ihm, als wären all die Leute wegen ihm gekommen. Sichtlich genoss das Tier die amüsierte Aufmerksamkeit, und dem Stadtrat blieb nichts übrig, als den Hund zu streicheln, wollte er sich nicht in den Hintergrund spielen lassen. Er ließ ihn auch an den Mikrofonen schnüffeln, schließlich hatte das Tier genug und legte sich zu Füssen des Politikers, der nun zu reden hatte. Nach einer Weile trollte sich der Hund in den hinteren Bühnenbereich, er hatte wohl genug Aufmerksamkeit für heute.

Ein gefundenes Fressen für Bildredakteure: Die Politik begibt sich ins Milieu der Alternativen, die natürlich im Rudel mit Hunden leben - man kennt das ja von diesen Punks, die an öffentlichen Plätzen rumhängen. Und die Politik wird sofort auf dieses Niveau gezogen.
Beziehungsweise, in weniger konservativer Lesart, arrivierte Punks - die FLUC-Macher forcieren ja gezielt die Vermischung von (Sub)Kultur und öffentlichem Raum - und progressive Stadtpolitiker treffen sich auf Augenhöhe, verstehen sich blendend und beschreiten neue Wege der urbanen Kulturpolitik. So klang auch der Tenor der Pressekonferenz.
Der zufällige Auftritt des Hundes passte bestens ins Bild, wie eine Bestätigung für die gehörige Portion Glück/das zufällig optimales Timing, die die FLUC Leute bei ihren Unternehmungen begleitet.

Mehr übers FLUC in radio u-ton am kommenden Montag.
Vielleicht stelle ich dann auch noch den zweiten Teil dieser Geschichte online, wo es um eine andere Hundesache geht, die Wien (grade wieder mal vermehrt) beschäftigt.

u-wort

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