Sonntag, 4. Februar 2007

300

In einer Zeit, als Hopliten die Peleponnes durchstreiften und Sphingen und Phalangen aufeinanderdonnerten, dass selbst dem Zeus die Ohren schlackerten, da begab es sich, dass eine Armee von 300 Soldaten gegen eine Armee von 120.000 standen. Nicht irgendwelche Krieger, sondern 300 Spartaner, die harten Hunde der Antike, gegen das Tausendvölkerheer der Perser.

Die Schlacht bei den Thermopylen, 480 vor Christus, während der Zweiten Perserkriege - Gänsehaut im Geschichteunterricht, und immer gewundert, wie das denn gehen soll - eine Handvoll Aufmüpfige gegen die Macht von Xerxes.

Einer, der sich das auch gefragt haben dürfte, ist der Comic-Autor Frank Miller (vielen bekannt als das brutal-geniale Mastermind hinter Sin City). Sein Graphic Novel "300" zeigt die spartanischen Krieger auf ihrem Weg in die Hölle. Feiner Lesestoff!

Was noch viel erfreulicher ist - vor allem für Leute, denen selbst Comic Lesen zu anstrengend ist - im März kommt die Verfilmung. Inklusive Zersplatteln und Derwutzeln. Yeah.

Ich sehe, es werden zwei lange Monate bis zur Premiere...

Sonntag, 12. November 2006

Skurriles aus den Medien

Erfindung machte Tester in Neuseeland krank

Utl.: Erbrechen und Durchfall als schlechte Publicity =

Wellington - Ein Erfinder in Neuseeland hat sich denkbar schlechte Publicity eingehandelt: Die vier Reporter, die das mit seiner neuen Maschine vermeintlich zum Trinken aufbereitetes Abwasser konsumierten, wurden schwer krank, berichtete die Zeitung "The Press" in Christchurch am Freitag. Sie mussten nach Erbrechen und Durchfall ärztliche Hilfe suchen.

Erfinder Russell Kelly wollte den Reportern zeigen, dass mit seiner tragbaren Maschine Wasser auf einfache Weise gereinigt und auf Trinkwasserniveau gebracht werden kann. Er wollte seine Erfindung vor allem in unterentwickelten Ländern verkaufen.








Das Leben ist hart. Vor allem als Journalist. Ganz besonders als leichtgläubiger Journalist.

Montag, 7. August 2006

Fröhliche Frequenzdiskussionen

In Bälde (=vielleicht noch dieses Monat, im Herbst oder erst im Frühling) wird in Wien eine neue Radiofrequenz vergeben. Das Interesse daran ist groß, schließlich kann damit Geld verdient werden. Interessant auch, wie drum herum diskutiert wird.

Der Standard ruft online zur Abstimmung und präsentiert die Konzepte der drei Favoriten. Ein Rockradio (eher die Springsteen-Schiene, also »pre-alternative«), Sunshine wollen eine Art Analogie zum ihrem Clubprogramm on air schicken und Lounge FM ein entspanntes Programm für die arrivierten Acid Jazz Fans, das es in anderer Form schon gibt.

Rein marktanalytisch ist die letztere Schiene wohl am wenigsten besetzt, abgesehen von manchen FM4-Tagen zwischen 10 und 12, Lounge FM würde also am meisten Sinn machen. Musikalisch wäre eine »große Koalition« aus dem Lounge- und dem Sunshine-Konzept nicht uninteressant, und bis heute hat kein Wiener Radio James Brown's "Sexmachine" im Programmfluß integriert. Wenn diese Nummer stimmig in eine der Playlists eingebettet wäre, wüsste ich, wem ich die Frequenz geben würde. Nur, persönlicher Geschmack ist in Marktfragen sekundär.

Wichtig ist zB auch eine gewisse Radiokompetenz. Dass jemand, der etwas anderes gut kann, nicht automatisch gut im Radio ist, haben die im Print erfolgsverwöhnten Fellners mit Antenne Wien eindrucksvoll bewiesen.

Als Nebenprodukt fällt in den Foren zu solchen Themen alles mögliche an. Einerseits natürlich Stellungnahmen und Kritik involvierter Personen, aber vor allem Kommentare nach dem Motto »Mein Traumradio« frei von Realitätsbezug. Das erinnert mich dann ein wenig an die einsamen KämpferInnen, die sich beim DJ unbedingt etwas (meist völlig Unpassendes) wünschen müssen, während die anderen tanzen.

Im Moment fließen die Rundfunkgebühren nicht mal dem ORF direkt zu, es ist also unwahrscheinlich, dass jemand anderer was davon kriegt. Qualitätsredaktionen sind teuer. Wie man als Privater ein »Ö1 Light« finanzieren sollte, bleibt also ungeklärt. Dass in solchen Mediendiskussionen Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen, privaten und freien Medien nicht geläufig sind, liegt vielleicht daran, dass in Österreich der Fall des ORF-Monopols noch nicht lang her ist.

Als DJ muss man die Gesamtheit im Auge behalten, die Wünsche einzelner können darüber etwas aussagen, müssen aber nicht. Die Statistik sagt über den Einzelfall nichts aus, DJs wie Radiomacher können sich nur auf ihr Gefühl verlassen. Ein Massenmedium kann nur ein Kompromiss sein.
Die exakte Befriedigung der einzelnen Bedürfnisse zu erwarten ist Blödsinn. Wahllos auf Hits und Prominenz, also die Statistik, zu setzen ein Millionengrab.

Ob das alles für die Frequenzvergabe tatsächlich relevant sein wird, werden wir aber auch nie erfahren.

Freitag, 19. Mai 2006

Von der Fremde und Verhirnung

Die Geschichte von Alfred Dorfers neuem Kabarett „fremd“ und warum zu viel graue Zellen schnell mal grau wirken. Eine Kritik.

Aufgeregtes Gemurmel im Audimax der Universität Wien, volle Sitzreihen, Temperatur und Luftfeuchtigkeit wie vor dem mittäglichen Gewitter in den tropischen Wäldern von Guinea. Endlich betritt der Mann die Bühne, auf den die schwitzende Menge wartet – kein Professor, kein Gastvortragender, kein Universitätsassistent. Sondern der Kabarettist Alfred Dorfer, inklusive dreiköpfiger Musikkombo und neuem Programm „fremd“.
Zum Einstieg ein paar zynische Bemerkungen über den Veranstaltungsort, die „gelungene Renovation“, die den Hörsaal in einem desaströsen Zustand hinterlassen hat, mit unverputzten Wänden, der Akustik einer Turnhalle und ohne funktionierender Lüftung. So was bringt Solidarität im Publikum, Lachen und Klatschen und somit ein wenig Luftzirkulation. Danke.
Das Audimax ist Dorfer auch aus der Perspektive der Zuseher vertraut: In den Achtzigerjahren begann er ein Studium der Theaterwissenschaft, brach ab, um die universitäre Karriere im Jahr 2005 wieder aufzunehmen und seine Diplomarbeit über das Kabarett in totalitären Regimes zu verfassen.
Ein wissenschaftlicher Kontext also, was Bühne und Lebenssituation betrifft. Wenn dann noch Gunkl alias Günther Paal, der für seine abstrakt-verworrenen Gedankengänge bekannt ist, beim Programm mitmischt, dann darf man sich zu Recht auf eine gewaltige Verhirnung gefasst machen:
Laut der Homepage von Alfred Dorfer geht es bei „fremd“ um die Fremdbestimmtheit durch Bilder, die mensch im Laufe seines Lebens internalisiert und als eigene anerkennt, ebenso um alternative Identitäten und die Suche nach dem Ich. Als ein Drittel der Musikkombo speit Günther Paal vom linken Bühnenrand gelegentliche Bonmots und um Effekt heischend philosophische Häppchen in den Raum. Smart? Sophisticated? Unweigerlich taucht ein Zitat aus dem Dorfer-Film „Freispiel“ auf – „intellektuelle Wichser in Schwarz“. Dabei bleibt das gesamte Programm unentschlossen in der Schwebe zwischen Philosophieren über die (Bedingungen der) Wahrnehmung und dem Schenkelklopfer, vor dem Dorfer eine (berechtige) Abscheu zeigt.
In Summe? Amüsanter als 99 Prozent und wissenschaftlicher als 10 Prozent der Auftritte, die sonst im Audimax der Uni Wien geboten werden.


Die Sendung zum Thema...

Mittwoch, 3. Mai 2006

Herrgottnocheinmal Punkt at

Die Geschichten vom total abgespacten Leben der Brüder und Schwestern und von Werbung, die die Welt nicht braucht. Eine Glosse.

Es gibt da so Dinge im Leben, die einen in regelmäßigen Abständen zur Aussage bewegen: "Das muss ich nun wirklich nicht verstehen!" Zum Beispiel Chinesisch. Oder die Unschärferelation. Oder wenn die Unterrichtsministerin ankündigt, Ernährungserziehung an den Schulen künftig von Mc Donalds sponsern zu lassen - das ist ja so, als würde der Wolf den Schafen vegetarische Ernährung vermitteln.

In diese Kategorie fällt eine Werbeserie, die seit kurzem die Plakatwände der Stadt ziert: Angeblich flotte Sprüche wie "Die Kinder bringt der Storch. Und Orden sind Nonnen und Mönche in Kutten" in grauer Schrift auf weißem Grund verweisen auf folgende Internetseite mit der ansprechenden Adresse www.herrgottnocheinmal.at . Für alle, die zu faul sind, auf den Link zu klicken: Auf der sehr knapp gefassten Homepage erfährt der interessierte Leser, die interessierte Leserin, dass Ordensbrüder und -schwestern mehr machen als nur zu beten, nein, sie tun auch allerlei gutes und nützliches Zeug wie Alte, Kranke und Kinder betreuen und an Schulen unterrichten. Weltklasse. An dieser Stelle zwei erhobene Daumen für ausgezeichnete Leistung.

Jetzt bleibt allerdings die Frage: Wozu brauchen Mönche und Nonnen eine Imagekampagne? Laut der fast schon charmant unprofessionellen Homepage, weil die Darstellung der Ordensfrauen und -männer in Film, Literatur, Werbung etc. zu einseitig und vor allem nicht den Wünschen der katholischen Orden entsprechend ist.
Wenn ich an Nonnen und Mönche in Filmen denke, da fallen mir neben unglückseligen Streifen wie Sister Act und Sister Act II zunächst mal der trinkfeste und kampfbereite Bruder Tuck als treuer Gefährte von Robin Hood ein, dann die liebevoll "Pinguine" genannten Schwestern im Waisenheim des kleinen Satansbraten sowie - unvergesslich - die leicht durchgeknallte Schwester, die Louis de Funes alias den Gendarmen von St. Tropez in ihrem Beiwagenmotorrad querfeldein chauffiert. Unbedingt zu erwähnen ist das Benettonplakat mit einander küssendem Pater und Nonne.

Ja eh. Also doch ein nicht gerade ein sehr vielschichtiges Bild. Aber es gibt Berufsgruppen, die ein noch viel undankbareres Image haben. Zahnärzte zum Beispiel. Oder Polizisten. Und erst recht dunkle Zauberer! Wer kümmert sich um deren Ruf?!?

Jedenfalls bleibt der Eindruck, dass für sündhaft teure Plakatwerbung viel Geld verpulvert wurde, ohne eine wirkliche Botschaft zu haben. Vielleicht wollten die katholischen Orden auch einfach nur das Feld ihrer guten Taten um die Förderung der Werbewirtschaft erweitern.

Dienstag, 25. April 2006

Werdet endlich erwachsen! - Ja, wie denn?

Ein kleiner Nachtrag zur Sendung vom 10.4., ein kleiner Denkanstoss...(Grup=Grown Up)

Das New York Magazine definierte den typischen Grup gerade als 35-Jährige, die nicht ohne ihren iPod aus dem Haus gehen, die sich in Jugendmodeketten wie Urban Outfitters oder H& M einkleiden, die ihre Kinder zur Happy Hour in Hipsterbars schleifen, bis vier Uhr morgens in Clubs ausharren, 250 Dollar für künstlich gealterte Jeans ausgeben, ihren Kleinkindern Folkpopmusik vorspielen und Rockstar-T-Shirts anziehen, immer noch das Turnschuhmodell tragen, das sie schon als Schulkinder trugen, ihre Firmenkarrieren aufgeben, um freiberuflich zu arbeiten – und die zu beruflichen Terminen sündhaft teure Fahrradkuriertaschen mitbringen.

Quelle: Andrian Kreye/SZ

Montag, 24. April 2006

Ein Gespenst geht um im Radioland...

In Bayern soll der Zündfunk »umstrukturiert« werden....oder so, man weiß es nicht. Jedenfalls gibt es Pläne des BR, betreffend eine traditionsreiche und wichtige Institution in Sachen Popkultur im Radio.

Und damit ist tatsächlich »Popkultur im Radio« gemeint, im vollen Wortsinn. Inklusive Diskurs, und Passion statt Affirmation. Die volle Nutzung der nahen Verbindung von Kritik und Gegenstand, die in Sachen Popmusik nur im Radio möglich ist.

Andererseits erinnern die Pläne der BR ein wenig an die des ORF 1994/95, als es darum ging, Ö3 zum Hitradio umzubauen und inhaltsorientierte Jugend/Pop-Sendungen wie die Musicbox (click for background info) und Zickzack auf Blue Danube Radio zu übersiedeln. Daraus wurde im Lauf der Zeit das heutige Vollprogramm .

Was soll man davon halten? Die deutschen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten haben in ihrer Konzeptionsakribie bis jetzt kein mit FM4 vergleichbares Format zustande gebracht. Ich behaupte, dass das Fehlen einer journalistischen und medienplanerischen Korrektheit auf Seiten der Österreicher im Falle von FM4 besonders günstig wirkt, weil Spontaneität und Intuition in Sachen Jugendradio essenziell sind.
Vielleicht schaffen es ja die Bayern....

Trotzdem scheint die Forderung berechtigt, den Zündfunk vorerst zu belassen. Wie sich an der Geschichte von FM4 auch zeigt, kann ein Vollprogramm nie die inhaltliche Konzentration leisten wie eine Spezialsendung. Bei FM4 ist die Popkompetenz mittlerweile vor allem in die Zeit nach 22 h verschoben. Die Fläche bietet nettes, progressives Serviceradio. Freilich weit über dem inhaltlichen Niveau der Medien, bei denen Jugendkultur Crosspromotion bedeutet und Pop Werbung und Veranstaltungstermine.

Ich vergleiche also mal Äpfel mit Birnen und frage, was ist essenziell, Zündfunk oder FM4. Ich antworte klar:
Beides.

Ein Vollprogramm bringt ausufernde Zusatzangebote und Verdünnung mit sich. Der »Musicbox-Faktor«, das tiefer greifende Popverständnis, der reflektierte Standpunkt befindet sich in in stetem Widerstreit mit oberflächlicher (oder auch zB hier gut verklausulierter) PR-Verstärkung, die sich als »Liebe zur Musik« ausgibt.

Die Alternative-Kultur ist mittlerweile so gewachsen, dass sie ein Recht auf Vollprogramm hat. Aber alternative mainstream steht für Kommerz, und creative industries für Kohle machen. Das muss auch irgendwo gesagt werden, und es kann sich jeder überlegen, ob das Selbstkorrektiv reicht, oder ob dazu eine Extra-Sendung, womöglich in einem anderen Programm nötig ist.

Wer sich schlau machen will, klickt hier.

Freitag, 21. April 2006

Er war da und ich war dort

Mike Skinner aka The Streets war am 12. 4. in Wien. Spät, aber doch, hier ein paar Eindrücke von Pressekonferenz und Showcase.

Ich habe selten Interviews mit Leuten von derartiger Attraktion, dass ein Teil der Journalisten zu einer Pressekonferenz zusammengefasst wird. Sogar bei Xavier Naidoo und seinen sohnemännlichen Kollegen hatte ich einen Einzeltermin. Nicht so bei Mike Skinner, der für ein Spezialkonzert eines speziellen Radiosenders angekarrt worden war. Da steht man dann im Designerhotel rum und wartet, schnorrt Zigaretten von einem Kollegen, wo man sich fragt, warum nicht zumindest der einen Einzeltermin gekriegt hat, wenn er für eins, zwei, drei Medien schreibt, die Fellner-Stammzelle hingegen schon.....vielleicht hat er sich ja zu spät gemeldet, und der Andrang war zu groß.

Irgendwann ist es so weit: Der Star erscheint und nimmt hinter der Tischbarriere mit den paar Mikros drauf Platz. Irgendwie seltsam unspektakulär. Er sieht nämlich exakt so aus wie auf den diversen Pressebildern, er wirkt genau so, vor allem, er klingt genau so. Nachdem er selber mit seinem Handy die versammelten Fotografen (die ersten 10 Minuten dürfen sie) geblitzt hat, beantwortet er die Fragen in genau dem Tonfall, den man von seinen Platten kennt. No na, werden manche sagen. Aber wer erinnert sich noch an das gepresste Rockfalsett des Axl Rose im Kontrast zu seiner tiefen Sprechstimme, zett Be?
Da Skinners Vortrag als The Streets immer mehr gesprochen als gerappt oder gesungen ist, besteht praktisch kein Unterschied, ob man ihn auf Platte oder vor der Konferenz im Gespräch mit irgendeiner Tourlady am Gang hört. Sein Modestil: Der »Geezer«, der sich nun etabliert hat. Weiße Turnschuhe (Reebok-Deal), 501, himmelblaue Joggingjacke mit »eleganten« weißen Nähten. Die Ringkombination über drei Finger (2+1), die schon der Kollege von de:bug beschrieben hat. Blasses Bubengesicht mit Teddyaugen.

Trotzdem keine Spur von Naivität, wie man meinen könnte: Mike ist souverän, wirkt sehr fokussiert. Er beantwortet die üblichen Fragen zum Album, erwähnt, dass er nun ein Label gegründet hat. Es wäre klar gewesen, dass er nur ehrlich und echt von sich selber berichten hätte können. Die Erkenntnis, dass Authentizität sein größtes Kapital ist, zeigt seine ausgeprägte Fähigkeit, die Realität zu erkennen und die richtigen Konsequenzen zu ziehen, die eben nicht nur beim Texten zum Ausdruck kommt. Stay real for maximum impact.

Skinners Antwort auf meine Frage, ob es denn wahr sei, dass der Rolls-Royce am Cover ihm gehöre, nimmt auch gleich vorweg, was ich nachhaken wollte. Erst führt er aus, dass er im Moment zwar Probleme mit dem Umbau des Autos habe und es ihm im Moment nicht zur Verfügung stehe, aber tatsächlich gehöre. »Die Räder sind die größten auf einem Rolls in Europa.« (22 Inches) Und es musste ein »Roller« sein, weil der typisch britisch ist. Das wollte ich wissen, er hätte sich ja auch einen BMW oder Mercedes leisten können. Nein, es wäre darum gegangen, british zu sein und gleichzeitig die Liebe zur amerikanischen Rapmusik zu zeigen.
Mike Skinner, das ergibt sich aus dem Kontext, sieht seine Mission darin, der UK Garage/Grime Szene eine klare äußere Form zu geben, wie sie in den USA existiert. Er weiß genau bescheid über die diversen subkulturellen Zusammenhänge von Disco, Black Music und ihre Ableger, das heißt, er kennt auch genau deren Codes und Symboliken. Die Amerikaner könnten mit UK Garage nix anfangen, weil das Black Music mit Disco wäre, und Disco ist bekanntlich im Kern schwul – dafür wären die Amis zu homophob.

Nichts an seiner Inszenierung ist Zufall, und ich zweifle stark an seinem gern lancierten unkontrollierten Drogenkonsum. Wie es tatsächlich mit solchen Leuten läuft, zeigt das Beispiel Pete Doherty. Sicher, nach dem Konzert im WUK läuft Mike Skinner mit einer Flasche Cognac rum, aber wenn er ein Problem hätte, könnte er nicht der Checker sein, der er de facto ist. Alles unter Kontrolle, keine Spur (mehr?) vom dodeligen Geezer.

Auch wenn der ja bisher für tolle Sachen gut war. Das neue Album, das nun nicht mehr den Vorstadt-Loser, sonder Skinners Erfahrungen als Popstar behandelt, ist erst mal nicht so konsistent wie der Vorgänger »A Grand Don’t Come For Free«. Es entwickelt seine Qualitäten aber mit jedem Hören, ist mehr R&B, seltsam getwistete Melodien, zum Teil mehrere parallel, mehr Singsang von den Kollegen, mehr Tempo. Die eigenartige Poesie, die sich beim fast hörspielhaften Vorgänger ziemlich sofort erschloss, ist etwas anderem gewichen. Aber bisher war sowieso noch jedes der drei Alben anders. Übrigens, Poesie ist ein völlig anderes Handwerk, das betont der Meister. Weniger Probleme hat Mike Skinner mit Veränderung, er hält sie für extrem notwendig in seinem Bereich (Grime). Wenn die Fans auf der Homepage jedes neue Album erst mal scheiße finden, gehört das für ihn mittlerweile dazu – er weiß sowieso, was gut ist, da wirkt er sehr sicher, schließlich mache er sich selber mehr Druck als die Plattenfirma, und die Studioarbeit wäre ihm am liebsten.

Live ist Skinners Aussagen nach mehr die Pflicht zu dieser Kür. Trotzdem ein Job, den man bestmöglich zu machen hätte – auch ein ultimativer Ego Kick, trotzdem berge das Touren allzu viele Ablenkungen. Der »Showcase« beginnt im restlos vollen WUK mit drei Nummern vom neuen Album, dann der »Klassiker« »Let’s Push Things Forward«. Show-Einlagen vom Sängerkollegen, kalkuliert edelprolliger Auftritt. Sakkos, aufgesteckte Sonnenbrillen. Deftiger Humor. UK Pub Chauvinismus, wie es sich seltsam gehört. (Setlist/detaillierter Bericht)
Das Set (mit kurzer Pause, anscheinend will man das durch die Ankündigung von 30 Minuten verunsicherte Publikum triezen) endet zuerst mit der aktuellen Single, aber das Gejohle reißt nicht ab. Schließlich ertönen aus dem Off die Streicherakkorde vom Opener des ersten Albums, »Turn The Page«, an sich fett und dramatisch, aber hier tollpatschig gesungen. Hoffnung und Gejohle mehren sich.
Als der Sound dann wirklich bombastisch einsetzt, kommt das fette fitte Finale. Drei Nummern, die jetzt schon jede auf ihre Art Popgeschichte der Zeros sind. Ehrlich gesagt, vorher war alles für mich ein wenig vorhersehbar. Aber nun lassens Mike und Band ordentlich krachen. Primitive Identifikation, die ich sonst verachte, ergreift Besitz von mir. Ich bin zufrieden und renne noch eine Stunde im Kreis, treffe ständig irgendwen. Die gesamte Popinsidergemeinde hat sich versammelt und auch manche, von denen mans nicht zwingend erwartet hat. War nicht nur für mich einer der wenigen Liveacts, die ich wirklich sehen wollte.

Conclusio? Mit Mike Skinner und vor allem seinem Label »The Beats« ist weiterhin und noch mehr zu rechnen. Wenn die US-Kollegen vom HipHop-Magazin schon extra anreisen, weil der Presseandrang bei ihnen zu stressig zu werden droht.....
Ich musste am nächsten Tag um halb sieben auf und ins Waldviertel, dann verlängertes Wochenende. Mittlerweile ist der Frühling in Wien, der erste milde Abend – 15 Grad noch um zehn! Die Leute vom staatlichen Stadtradio saßen heute nicht wie sonst ewig in der Kantine, sondern heraußen beim Café. Gesoffen haben sie vermutlich trotzdem, und auch meine Energien und mein Durst sind immens.

Weiteres in dieser Sendung bei radio u-ton und im kommenden Skug Nr. 67

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